"Die Nacht der Nächte" - Biel | 100 | #5

So sollte es mal wieder sein.
100 km durch die Nacht rennen.
4x war ich seit 2011 in Biel gewesen und habe dabei meist gut abgeschnitten.
Jetzt sollte es ein fünftes Mal mit Furiousum werden.
So dachte ich mir das.????
Für die WM2022 hatte ich ja ein angenehmes Trainingskonzept kennengelernt, welches ich so auch dieses Jahr ganz gut anwenden konnte.
So wurde Ende Januar mit dem Training begonnen und einen Zwischenbericht vom 6h Lauf Mörfelden gibts ja schon.
So rückte die Zeit an Biel immer näher, allerdings ließ der Enthusiasmus in den letzten 3 Trainingswochen nach. Ich trainierte nur noch das, was notwendig war.
Die Kraft an sich hatte ich intus.
Nur der Kopf wollte nicht mehr ganz so. Umso unruhiger wurde ich also. 100 km sind ja nun doch mal Mörderweit zu Fuss.
Im Vorfeld konnte ich mein Bielsupportteam wieder gewinnen. Das ist meine Cousine und ihr Mann.
Tine komplettierte unsere Mannschaft.
So wurde organisiert, dass wir mit einem Sprinterbus nach Biel fuhren und für alles vorbereitet waren. Schlaffläche für die Betreuer in der Nacht ist auch wichtig.
In Biel angekommen wurde die Startnummer geholt und dann ging es ans Umziehen.
Die Wetterprognose sah für die Nacht nicht ganz so rosig aus.
Es sollte die ganze Nacht regnen und teilweise auch Gewitter geben.
Also war beim Ankleiden auch jede Menge Vaseline im Einsatz.
Wunde Stellen braucht keiner.
Dann drehte ich noch eine Aktivierungsrunde und wartete auf den Start.
Vorsorglich habe ich mich einfach mal in die erste Reihe gestellt. Da kann man befreit loslaufen.
Die erste halbe Stunde war ja noch regenfrei.
Dann begann aber die Nachtduscherei.
Erst regnete es erträglich.
Kalt war es deswegen ja nicht.
16Grad die ganze Nacht.
Allerdings zu warm für die Regenjacke, aber dann ab und an schon frisch, wenn man nass ist.
Mein Gemüt hielt sich auf der ersten Etappe bis km39 recht in Grenzen. Irgendwie zickten die Waden auch rum und wollten krampfen und die Schuhe waren auch doof gebunden.
Das konnte ich ja noch justieren, nur Steigungen sind momentan ein kleines Problem.
Das Feeling dafür fehlt.
Und Biel hat auf die 100 einige davon.
Und kaum stimmt der Flow wieder, öffnet der Himmel über Großaffoltern seine Schleusen.
Es wurde zwar wieder besser, nur meine Laune nicht.
Am ersten Treffpunkt meiner Crew stimmte zwar pacemäßig alles, nur mental nicht.
Übrigens, an allen Treffpunkten wäre ich ohne meine Crew aufgeschmissen gewesen.
Das hat 1AA++ funktioniert.
Goldwert sowas.
Jetzt waren die Abstände zu den Treffpunkten nur noch um 20 km.
Das war besser.
Nur dieser Regen!
Auf dem Weg von 38 bis 58 km war ich gerade auf freiem Feld unterwegs, als ein Gewitter in der Verfolgung war.
Taghell und gleich Rumms.
Schauen, dass man vom Feld kommt.
Ach ja, erwähnte ich Regen, viel Regen, schonmal?
Nach km50 in Jegenstorf und dann in Kernenried gab das Gewitter alles. Ich war schon im Ort, also alles ungefährlich.
Aber Wasserfall.
Im Dunkeln, bei Starkregen hat man in seinem Lampenschein nur eine Wassertropfenglitzerwand.
Mega anstrengend zu laufen.
Dann kam hinzu, dass der Magen seinen Inhalt weiterschob und so die Energie ziemlich schlagartig weg ist.
Der Versuch, Kartoffel nachzuschieben scheiterte kläglich und ich sah die Kartoffel wieder.
1 km noch bis zum VP. Bloß gut.
Am VP war ich mental wieder besser drauf und konnte, gefühlt, wieder etwas Nahrung aufnehmen. 58 km sind aber auch schon ein gutes Stück Weg und es gilt wieder anzulaufen.
Es folgte die härteste Etappe dieses Laufes. Wieder 20 km, aber am Emmendamm für 12 km und dann 8 km Steigung von Ichertswill nach Bibern.
Das furchtbarste war der Starkregen über den gesamten Emmendamm(12 km lang) mit Leistungsverlust in den 60ern und dann dieser lange Anstieg.
Oh, mein Gott, war das anstrengend, nass und kalt. Bewusst bemerkt habe ich immer wieder, dass ich nach kurzen Breaks immer wieder einen gleichmäßigen Schritt aufnehmen konnte. Das half mir selber einzuschätzen, woran ich gerade bin beim Vorankommen bin.
In dieser Etappe wurde es dann wieder hell und komischerweise wurde ich genau dann richtig müde.
Und noch 25km bis Biel.
Wenigstens regnete es nun mal weniger.
In Bibern angekommen bei 78 wurde die letzte, trockene Montur angezogen. Diesmal mit Regenjacke dabei.
Auf dem Weg nach Arch hinunter, was passierte?
Regen, viel davon.
Diese Etappe war nun, an der Aare entlang, geprägt von Wanderabschnitten.
Trotzdem dauerten diese 11 km "nur" 1h10.
In Büren angekommen, endlich, versuchte ich wieder Apfel, und Colatee.
Das funktionierte und weiter ging es, über die Holzbrücke im Laufschritt. Es gab ja wieder einen Fotopunkt und da geht man nicht????.
Jetzt war es ja wirklich nicht mehr weit und ich zwang mich zum Laufschritt. Nicht schnell, aber stetig. km-Angaben in den 90ern stimmen einen dann doch versöhnlich bei einem 100 km Lauf.
Das es nicht gerade Bestzeit wurde, wahr klar, nur mit etwas nachrechnen war es noch möglich, unter 11h zu bleiben.
Es würde knapp werden, das war klar.
Zwischendrin sah ich das nochmal schwinden, angesichts der leichten Welligkeit der Strecke zum Schluss.
Mental fand ich es gut, dass es um mich herum jedem ganz genauso ging, wie mir.
So kämpft jeder mit sich aber doch auch gemeinsam mit dem anderen.
Die letzten 2 km blieb hier jeder am tippeln. Zugpunkte sind wichtig????.
Dann endlich die Zielgerade zur TissotArenaBiel mit der letzten Hoffnung unter 11h.
Ums letzte Eck mit Emotionen und die letzten Schritte ins Ziel.
Tatsächlich 10:59,54h,also unter11.
Gesamtplatz 126 von1200Gemeldeten,
AK50 Platz 19 von 120
Angedacht war ja mindestens 1,5h schneller.
Manchmal kommt es eben anders aus verschiedenen Gründen, die teils schon erkannt sind.
Wichtig war auf jeden Fall das Finish.
Für meinen Anspruch sind 11h für 100 km immer noch nicht schlecht, aber es kann besser sein.
Dennoch kein Grund frustriert zu sein, nein, stolz über das Geschaffte. So siehts aus!
Die Bedingungen waren denkbar ungünstig, die ganze Nacht.
Rubrik-Erfahrung gesammelt und wieder ein Abenteuer erlebt.
Jetzt erholen und laufen nach Lust und Laune.

Ralf